... in diesem unglaublichen Buch, das grade, wie ich zu meiner Schande gestehen muss immer noch, auf meinem Nachtisch liegt und darauf wartet endlich ausgelesen zu werden - und langsam wird es wirklich peinlich, denn wir reden hier von 236 Seiten, von welchen die bislang von mir gelesenen 116 so überwältigend sind, dass man meinen sollte, dass ich den Rest einfach so verschlinge, doch nichtsdestotrotz gehe ich jetzt in die, ich glaube, 5. Woche und komme nicht voran. Manchmal fehlt die Zeit, manchmal die Ruhe und manchmal einfach der richtige Zeitpunkt, denn unzweifelhaft ist es nichts was zwischen Tür und Angel gelesen werden will – also in diesem unglaublichen Buch, bin ich über einen Satz gestolpert, der mich jetzt seit Tagen beschäftigt und der seine Schönheit mit jedem Tag ein wenig mehr entfaltet, nicht zuletzt, weil mir aufgeht, dass ich mich glücklich schätzen kann, einige Erinnerungen zu haben, die in dem Moment als sie noch Gegenwart und nicht Vergangenheit waren, ihrer Natur nach für mich so überwältigend waren, dass sie nicht treffender beschrieben werden könnten als mit diesen von Auster zitierten Worten Wallace Stevens´*:

„Angesichts außerordentlicher Wirklichkeit nimmt das Bewusstsein den Platz der Phantasie ein.“

Wenn ich es recht überlege bin ich genau das jetzt, glücklich, einfach nur glücklich darüber, dass es nach jedem Ab ein Auf gibt, darüber, dass Siegen keine schönere Farbe kennt als nasses Grün, glücklich über das Leben und glücklich darüber, dass es zumindest immer wieder Momente gibt, in denen ich in der Lage bin die Momente eines mitunter unbefriedigenden Alltags als das zu sehen was sie wirklich sind, Momente, Bestandteile des Lebens, des Alltags, aber nicht das Leben selbst.

Wie traurig es doch eigentlich ist, dass man eine der wichtigsten Eigenschaften der Kindheit als erste hinter sich lässt, die Fähigkeit, sich dessen zu freuen, was das Leben lebenswert macht, das Auge für die kleinen Dingen, die eben nicht die Dekoration sondern vielmehr die Essenz des Lebens sind, und wie traurig, dass man statt dessen dazu übergeht immer alles sorgfältig abwägen zu wollen, vermeintlich erwachsen zu handeln, nichts ohne Netz und doppelten Boden zu machen.

Sicherlich erspart mir die Tatsache, dass ich heute weiß, was passiert, wenn ich bei voller Fahrt den Lenker meines Rades einschlage einige schmerzhafte Blessuren und vielleicht auch einige ernstere Schäden, aber wenn ich ehrlich bin, hat Radfahren weitaus mehr Spaß gemacht, als ich mir darüber noch keine Gedanken gemacht habe. Und ist das nicht bei allen Dingen im Leben so? Vernunft und Erfahrung sind sicherlich nicht zu unterschätzende Ratgeber in mancherlei Lebenslage, aber kann es nicht sein, dass eine der größten Aufgaben die wir zu bewältigen haben darin besteht zu lernen wann es unvernünftig ist vernünftig zu handeln?

Denn wenn ich es recht überlege und einige der Momente Revue passieren lasse, die ich heute mit Stevens` Worte beschreiben würde, ging kaum einem von ihnen eine sorgfältige Planung oder die Abwägung vernünftiger Argumente voraus. Ganz im Gegenteil, meist hab ich gegen jede Vernunft einfach den Lenker eingeschlagen und bin im hohen Bogen ins Geschehen geflogen. Mir scheint vielmehr, als wäre ich den letzten Jahren ein wenig zu ernst und zu vorsichtig geworden. Und wenn ich es mir noch rechter überlege, will ich noch vielmehr solcher Momente erleben und daher fasse ich heute, am Tag der kalten Sophie ein paar zwingend umzusetzende Vorsätze, von denen einer unbedingt heißen muss: Zieh Dir endlich wieder den Stock aus dem Po!



*Wallace Stevens: Opus Posthumous 1989
jazz_und_mehr meinte am 15. Mai, 15:33:
Danke!
Eriador antwortete am 15. Mai, 15:35:
Denada. 
jazz_und_mehr antwortete am 15. Mai, 15:36:
Schönes Rest-WE wünsche ich dir. 
Eriador antwortete am 15. Mai, 15:37:
Danke Dir auch - und vor allem Gutes! 
 

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