"Der Fokus von Politik und Medien liegt auf den protestierenden Ostdeutschen, und im Westen geben sich viele entsetzt. Doch der Blick allein auf den Osten verharmlost die Verhältnisse. Denn jetzt werden Fehlentwicklungen in ganz Deutschland sichtbar. Anspruchsdenken, Wehleidigkeit und mangelnde demokratische Reife bei den Bürgern. Gleichgültigkeit, Opportunismus und Hochmut bei den Eliten. In hoch industrialisierten und differenzierten Gesellschaften wurde bisweilen eine gewisse Wohlstandsverwahrlosung beklagt. Offenbar gibt es aber auch eine Verwahrlosung von Demokraten. Sie halten die Segnungen des Systems im harmloseren Fall für selbstverständlich; im schlimmeren sind für sie die demokratischen Institutionen längst jedes Sinnes entleert."

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"Im Übrigen helfen gegenseitige Schuldzuweisungen gar nichts, sie greifen den Glauben an die Effizienz demokratischer Institutionen nur weiter an. Es ist verlogen, darüber zu klagen, unsere Politiker seien nicht gut genug. Mit wenigen Ausnahmen hat sich die Generation der 30- und der 40-Jährigen den Parteien verweigert. Ihre besten politischen Talente fanden die Aussicht auf Kärrnerarbeit in der Partei und auf öffentliche Anfeindungen genauso abschreckend wie die Höhe der festgelegten Diäten. Im Großen und Ganzen also haben wir die Politiker, die wir verdienen. Die meisten von ihnen hätten sich nie träumen lassen, eines Tages Militäreinsätze beschließen oder den Vertrag aufkündigen zu müssen, wonach die Zustimmung der Wähler mit immer neuen Wohltaten korrespondierte.

»Die Größe eines Menschen liegt in der Entscheidung, stärker zu sein als seine Voraussetzungen«, hat der französische Schriftsteller Albert Camus geschrieben zu einer Zeit, als sein Land unter deutscher Besatzung und Europa in Flammen stand. Die Voraussetzungen zur Bewältigung der Krise in Deutschland sind so schwierig nicht. Aber für die politische Klasse ist es doch eine gewaltige Bewährungsprobe, womöglich die zweitschwerste nach der Rückkehr in die zivilisierte Staatengemeinschaft. Sie muss nicht mehr wie in den Jahren des Vergleichs zwischen Bonn und Weimar beweisen, dass die Deutschen überhaupt zur Demokratie fähig sind. Aber sie muss zeigen, dass diese Demokratie auch dann funktioniert, wenn Schönwetter-Kapitäne nicht mehr über Wohlstands- demokraten herrschen. Und damals wie heute braucht es eine überparteiliche Verständigung. Denn der Umbau des Sozialstaates, die Anpassung an die globalisierte Wirtschaft, das Ringen um Gerechtigkeit und neue Formen der Partizipation lassen keine Wahl. Sie sind die Existenzfragen unserer Gesellschaft."


Die Zeit

Schön das hier und da doch noch das Wort ergriffen und nicht nur das geschrieben wird, was der Mob gerne lesen möchte.

Hier gehts zum kompletten Artikel.



.. und weiter im Text jajaja :)!!
 

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