Herzdinge

Ganz plötzlich ist da ein Gedanke, ein Aufflammen alter Gefühle, Gefühle, von denen man meint, sie seien längst vergessen und begraben. Ganz plötzlich sind sie da, kurz, heftig, intensiv, ein Bild im Kopf, dass man in dieser Form lange nicht mehr gesehen hat, mit ungeahnter Kraft. Fast fühlt es sich wie ein kleiner Betrug.

M., eines meiner vielen Ms. war heute morgen mit dieser ungeheuren Klarheit in meinem Kopf, eben jener M. der mir in den letzten Jahren nach unserer „Trennung“ so sehr auf die Nerven gegangen ist, den ich nach Möglichkeit nicht sehen und auch nicht hören wollte, ständig lamentierend, nie wirklich zufrieden, immer auf diese ihm so eigene, verquere Art, die Treffen mit ihm zu einer Art Fangenspiel auf einem Minenfeld gemacht hat.

Was also hat es zu bedeuten, dass er auf einmal da ist, ich ihn auf einmal so sehe, wie ich ihn vor 3 Jahren das erste Mal gesehen habe? Fast fühlt es sich an wie Betrug gegenüber dem neuen M. in meinem Leben, bis mir klar wird, dass es das nicht ist. Vielmehr scheint es so, als sei endlich Frieden eingekehrt.

Frieden mit ihm und mir, dem alten uns. Lange Zeit war der Gedanke an ihn mit einem schlechten Gewissen verbunden, ich konnte es nicht mehr ertragen ihm zu zuhören, ihn zu treffen, konnte ihm nicht mehr gegenüber sitzen ohne zu denken, „warum nur? musste das sein? Was hat uns eigentlich verbunden?“ Jetzt weiß ich es wieder. Und es ist nicht so, als sei das nun mit der Sehnsucht verbunden, ihn wieder haben zu wollen, oder mit dem Schmerz etwas Wertvolles verloren zu haben, vielmehr scheint es so, als hätten wir das Wertvolle unserer Beziehung wieder bekommen, gekürzt um den Schmerz der Trennungen und der Verletzungen die man sich zugefügt hat, bleibt das reine warme Gefühl für einen wertvolle Menschen, dessen Leben und Liebe man für eine Zeit geteilt hat, und bei dem man jetzt plötzlich den Platz gefunden hat, auf dem man wieder ein Teil sein und sein lassen kann. Schönes Gefühl.

Nach einem Tag, der mit nächtlichen Regenprasseln und mit einem sehr entspannten Morgen eigentlich wirklich wunderbar angefangen hat, der aber mit vielen unschönen Ereignissen spektakulär schmerzhaft zu Ende gehen sollte, lag ich um 11 Uhr nach einer heißen Badewanne mit einem Buch im Bett.

Vergessen, nicht nachdenken, nicht fühlen. Soweit das Motto.

Um 0 Uhr irgendwas war ich soweit, dass ich meinte einschlafen zu können um 0.44 Uhr meinte mein Telefon mich wecken zu müssen.

Generell ist es so, dass ich nachts ans Telefon gehe, und rede, bevor ich überhaupt weiß was ich tue oder sage, so auch diesmal. Aus diesem Grund hat es auch einige Zeit gedauert, bis ich realisiert habe, mit wem ich rede.

"Wer?"
"S. guten MOOOOrgen, schläfst Du schon?"
"Wer, was, äh nein? Oder, ich glaub ja"
"Wo bist Du?"
"??? In meinem Bett! Warum? Wo bist Du"

Und so weiter, bis sich rausstellte, dass sich S. der seit Jahren nicht mehr hier wohnt, den ich seit 2,5 Jahren nicht mehr gesehen habe, nur etwa 500 m Luftlinie entfernt mit guten alten Freunden und solchen, die man lieber nicht mehr kennt, auf einer Party befindet.

S. ist ein guter alter Freund, ein wirklicher wundervoller Mensch mit dem ich einige der schönsten Zeiten meines Lebens verbracht habe, in seiner Gesellschaft befindet sich P. für den das Gleiche gilt. Beide sehe ich viel zu selten, beide gehören zu der Art von Freunden, bei denen man sich auch dann noch zu Hause fühlt, wenn man sich Jahre nicht gesehen oder gehört hat. Es gibt ein festes Band, das im Laufe der Jahre so strapazierbar, dehnbar geworden ist, dass man sich nicht mehr wöchentlich sehen oder hören muss um zu wissen, dass der andere da ist, beide gehören zu der Sorte, für die ich mitten in der Nacht Meilen laufen würde, wenn es Not tät und von denen ich weiß, beide würden es ohne Frage ebenso tun.

So gesehen brauchen beide nicht lange um mich aus dem Bett, in meine Klamotten auf mein Fahrrad zu quatschen und dafür zu sorgen, dass ich völlig schlaftrunken einen der steilen Berge in dieser unserer Heimatstadt hochradel. Spielt keine Rolle, dass die Party bei Leuten stattfindet, mit denen ich vor Unzeiten befreundet war, mit denen ich vor PostUnzeiten gebrochen habe. Nach diesem Tag muss ich S. sehen, lachen, mich gut fühlen, hören wie es ihm geht, was er macht, was in seinem Leben passiert, P. umarmen und lachen, lachen, lachen.

Als ich ankomme, trete ich in eine andere Zeit, ich weiß schlagartig wieder, warum ich mit denen die die Party veranstalten, gebrochen habe, es ist bestimmt 5 Jahre her, dass ich auf der letzten war, wenn nicht länger, und nichts, aber auch gar nichts hat sich verändert, nur die Wohnung, sonst nichts. Die gleichen Leute, bis auf wenige Ausnahmen, die genau das machen, was sie seit 15 Jahren jeden Freitag, jeden Samstag tun, saufen, kiffen, kotzen, ficken. Immer abwechselnd, immer die gleichen Leute. Hier hat sich wirklich nichts geändert.

Aber S. und P. sind da, wir sitzen auf dem Dach unterhalten uns, frieren, lachen, halten uns im Arm, schwelgen in Erinnerungen und bringen uns auf den neusten Stand und ganz allmählich stelle ich fest, ich bin glücklich, rundum glücklich. Eine gute Nacht nach einem beschissenen, enttäuschenden und mehr als schmerzhaften Tag und ich bin glücklich, gut 10 Jahre in der Zeit zurückgeworfen, und glücklich. Es gibt Dinge, die ändern sich nie, Beziehungen, die sich nie ändern, Gefühle die sich nie ändern, Freunde die zu Hause sind, die es immer sein werden. Das an einem Tag in Erinnerung gerufen zu bekommen, an dem alles dem Untergang geweiht zu sein scheint, war wie ein Geschenk, gab mir die Zuversicht, die ich brauchte, gab mir meine Stärke zurück.

Der Ausflug endete wie es sich für eine echte Zeitreise gehört, mit einem nostalgischen Erlebnis der besonderen Art, mit einem ordentlichen Fahrradunfall, mit aufgerissenen Händen, einer kaputten Jacke und einem verzogenen Lenker. Die Leute die mir aufgeholfen haben, fragen sich glaube ich jetzt noch, was so lustig war und warum ich das Lachen nicht mehr aufhören konnte.

Danke.

bei den Dingen die man morgens nach dem Aufwachen gerne hätte,
so klischeehaft sein, dass man sich plötzlich bei einem innerlichen Lachkrampf ertappt, obwohl man noch nicht mal richtig wach ist.

er ist da. Der Sommer, na gut, Frühling, in all seiner Pracht, die grünen baumbestandenen Hügel am Horizont vor meinem Fenster liegen in einem bläulichen Dunst, die vor kurzem noch kahlen Äste der Laubbäume sind von einem wahlweise grünen, weißen oder rosa Flaum umhüllt. Überall riecht es nach Blüten, Apfelblüten, Kirschblüten, Narzissen, Flieder und haste nicht gesehen. Die Möbel in meinem Zimmer liegen unter einer dekorativen Schicht Pollen und wenn ich das Fenster öffne und mich aufs Bett lege, habe ich diese sanfte, angenehme und leicht süße Frühlingsluft im Gesicht, die mich von der Sonnenwärme des Tages befreit.

Das muss der Himmel sein.

Da fällt mir ein, hatte ich erwähnt, dass ich verliebt bin?

das ist eigentlich die Zeit des Tages, die ich am liebsten mag, egal zu welcher Jahreszeit, dass Licht ist einfach das schönste des Tages. Paradoxerweise kriege ich es nur zu sehen wenn ich mal früh arbeiten muss, dann steh ich gern noch 2 Stunden früher auf um meinen Kaffee zu trinken und die Zeitung zu lesen, und jedes Mal nehme ich mir ganz fest vor demnächst immer so früh aufzustehen, aber wie das so mit Vorsätzen ist...

 

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