So ein gezogener Zahn auf der einen und ein gereizter auf der anderen Seite, hat einen enormen Vorteil: Der Geschmack einer jeden Mahlzeit wird zwangsweise wieder viel intensiver, weil man viel mehr Zeit hat, sich den Geschmack auf der Zunge zergehen zu lassen, während mal das kaum zerkleinerbare Stück Nahrung (es sei denn man kann es lutschen) hilflos von rechts nach links, von einem Schmerzzentrum zum anderen, schiebt und dabei irgendwie versucht das einen ständig begleitende Hungergefühl zu stillen.

Andererseits liegt auch grade in dieser Geschmacksintensivierung die wahre Qual der ganzen Geschichte, denn wenn sich der volle Geschmack auf der Zunge verbreitet und einem das Wasser im Munde zusammen laufen läßt, will man nur noch eines: ESSEN und zwar schnell und viel. Es wird wohl noch ein paar Tage beim Wollen bleiben.

Mittlerweile habe ich einige Monate hinter mir, in denen ich mehr schlecht als recht irgendwo zwischen gut und böse gewandelt bin. Wenn sich auch im reinen formalen, zumindest von Außen betrachtet, alles irgendwie schon fast spielerisch einfach so in einander zu fügen schien, hatte ich in den sehr privaten Bereichen meines Lebens nicht selten das Gefühl, dass mir alles ein wenig entgleitet, nichts mehr so richtig sein Weg nehmen will so wie es sollte und ich vor allem scheinbar dazu tendiere zu zerbrechen was meine Hand berührt. Natürlich ist mir klar, dass solche Phasen jeder hat, jeder unterschiedlich damit umgeht, und sie vor allem auch wieder vorbei gehen, und doch war mir, wie das dann nun mal so ist, als gäbe es nur noch Grauschattierungen. Was mir fehlte waren leutende Farben, ein wenig Sonne und das Vertrauen darauf, dass es zwangsläufig wieder besser werden muss, irgendwann, das nichts immer nur nach unten laufen kann. Wenn ich es mir recht überlege, war es vielleicht nicht das Vertrauen darauf das fehlte, sondern vielmehr der Atem es durchzuhalten. Es schien kein Ende in Sicht und nicht selten war mir wie früher beim Schwimmen, wenn man sich in Bezug auf die verwertbare Luft in der Lunge und die ertauchte Wassertiefe verschätzt hatte und das Wasser über dem Kopf kein Ende zu nehmen scheint, während die angehaltene Atemluft das eindeutige Ende ihrer Zusammenarbeit verkündet.

Die Hilflosigkeit ist im Leben kaum eine andere als im Schwimmbecken beim Ringe ertauchen und genauso wie bei letzterem ist in ersterem urplötzlich alles wieder gut, oder zumindest auf dem Weg dahin. Die Lunge tut noch ein wenig weh und vor den Augen tanzen noch ein paar Sternchen, aber spätestens in dem Moment in dem man den eroberten roten Gummiring hocherhobenen Armes über den Kopf streckt und triumphiert, dass man geschafft hat, woran man die drei vorangegangenen Stunden jeweils kläglich gescheitert ist, weil einem das wasser zu tief erschien, ist alles wieder gut. Vergessen die Hilflosigkeit, die Dunkelheit und die Angst, was einzig zählt ist, sich selbst überwunden zu haben und damit einen Schritt weitergekommen zu sein. Einen Schritt aus dem Schatten in die Sonne. Ein errungener Sieg, der einem nicht mehr genommen werden kann, ein Stückchen Größe, dass man sich selbst erkämpft hat und liegt nicht genau darin der Süßeste aller Siege, im Triumph über sich selbst?

Ich bin einen Weg gegangen, der sich in mancherlei Hinsicht als der Falsche für mich entpuppt hat, bin einem Pfad gefolgt, der langfristig mehr Dunkelheit und Schmerzen als Sonnenschein bedeutete, trotz vieler Warnungen und wohlgemeinter Ratschläge. Aber Erfahrungen muss man eben immer noch allein machen, keiner, und will er es auch noch so sehr, kann sie einem abnehmen, die Schultern erleichtern und die Last für uns tragen. Und um einige Erfahrungen bin ich reicher, ich kann nicht sagen, dass ich schon von allen wüßte, wo ich sie einzuordnen habe, und mache haben tiefe Wunden geschlagen, aber gelernt habe ich eines: Egal wie Dunkel der Weg ist, und auch wenn ich vielleicht gezwungen bin, ihn ab einem gewissen Punkt allein zu gehen, am Ende stehenunverrückbar Menschen die mich lieben, so wie ich bin, mit allen Kanten und Ecken und manche sogar wegen dieser Kanten und Ecken. Menschen auf die ich mich verlassen kann und die keine Notwendigkeit darin sehen sich für etwas oder jemanden auszugeben, der oder das sie nicht sind.

Dank Euch.

 

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