Musik war für mich immer ein wenig wie Luft, Bücher, Blut, Wasser in mir und um mich herum, wie Schokolade, Pfeffer, harte grüne Äpfel oder Schwarzbrotschnitten mit geräuchertem Schinken - etwas ohne das man nicht oder zumindest nur mit deutlich verminderter Qualität leben kann. Essentiell für die gefühlte Zufriedenheit.

Nicht zuletzt aus diesem Grund ist sie in den letzten Jahren auch ein wenig zum Frustfaktor geworden. Die Zeit fehlt, die Ruhe, der Überblick und nicht zuletzt die Musiker die es wert sind ihnen die Verantwortung für meine Lebensqualität zu übertragen. Nicht das es sie nicht mehr geben würde, aber sie aus den unglaublichen Haufen von Schutt, Schrott und - ich bitte um Entschuldigung - Scheiße auszugraben ist in den letzten Jahren immer schwerer geworden. Qualität setzt sich in der Regel nicht mehr durch, denn Qualität ist - wie vielfach diskutiert und allgemein bekannt - selten leicht verdaulich und häufig ganz und gar nicht mainstreamkompatibel, wird sie es doch, verliert sie häufig ihren Anspruch oder wird verheizt.

Hinzu kommt, dass ich eher altmodisch veranlagt bin, ich bin kein Fan von MP3s oder gebrannten CDs. Ich mags klassisch, mit Booklet und ansprechendem Artwork. Ich lege nicht nur auf das akustische und emotionale Erlebnis wert, sondern auch auf das haptische wie visuelle. Dummerweise werden CDs immer teurer. Da die Plattenindustrie, wie häufig genug kommuniziert, um nicht zu sagen "es kommt mir zu den Ohren raus", mit Musik leider Gottes kein Geld mehr verdient und mit Qualität schon gar nicht, werden Original CDs langsam aber sicher wieder zum Luxusartikel. Gewissenmaßen ein klassisches Dilemma, ich will lieber die Originale, konnte sie mir lange nicht leisten, habe die Kopien genommen und damit auch noch zur weiteren Erhöhung der Preise beigetragen und die Musik dann nicht mal gehört, da ich mit gebrannten CDs einfach nichts anfangen kann.

Zu meiner Altmodischkeit kommt noch ein weiterer Punkt: meine Beziehung zu den großen Konsumtempeln die Musik zwischen Waschmaschinen und Staubsaugern verkaufen und die Personal beschäftigen deren Kompetenzen nicht mal mehr mit "defizitär" hinreichend beschrieben wären, habe ich aus eben diesen Gründen ein mehr als gestörtes Verhältnis. Ich will meinen kleinen Plattenladen zurück, mit den Verkäufern die immer im Blick hatten was mich noch interessieren könnte und damit ein bessere Quelle waren als es die heute gängigen Kanäle je sein könnten. Ich will so lange mir danach ist in eine CD reinhören und mir nicht von diesem wenig repräsentativen "Saturn-Geiz-Ist-Geil-20-Sekunden-Potpourri" das Ohr vergewaltigen lassen.

Ich will Musik erleben, beim Reinverlieben, beim Kaufen, beim Beratenwerden, beim durch die CDs flippen, beim Entscheiden und nicht erst beim Einlegen und auf Play drücken. Musik ist ein Ritual auf allen Ebenen, ein Erlebnis für alle Sinne und sollte auch so gelebt werden. Aber leider stehe ich mit dieser Meinung immer einsamer da und die Wenigen die mit mir mit hängenden Schultern und Tränen in den Augen auf menschenentleerter Flur stehen und der Geiz-Ist-Geil/Ich-Bin-Doch-Nich-Blöd-Maschinerie beim Verheizen des Mehrwerts zu sehen werden zunehmend mit verständnislosem Blick als Ewiggestrige angesehen. Und am Rande: JA, ich habe noch echte Schallplatten und ich liebe dieses Knistern das die Beatles, Stones und Woodstock begleitet. Musik ist ein elementarer Bestandteil meines Lebens, mein emotionales Gedächtnis und damit zuverlässiger als jedes Tagebuch.

Music was my first love...
Doch Liebe hin oder her, in den letzten Jahren - über die gesamte Zeit meines Diploms hinweg - habe ich diese tiefe und älteste meiner Lieben zunehmend stiefmütterlicher behandelt. Zum Verlieben und Einkaufen fehlte das Geld, zum Informiertbleiben die Zeit und die Quellen.
Heute hab ich sie endlich wieder angerufen diese erste Liebe und sie hat mir sofort verziehen, ich habe alle Bedenken über Bord geworfen, die Tatsache ignoriert dass wir für ein Treffen nicht mehr unseren Laden - der Rille - nehmen können und bin in den Saturn gestürmt. Und was soll ich sagen, es war wie es mit Lebenslieben immer ist, es ist egal wie lange man sich nicht sieht, wie wenig man sie pflegt, man steht voreinander, ist für einen Moment paralysiert von der Übermacht der innerhalb von Sekunden aufwallenden Gefühlen, lacht und alles ist wie es immer war, als sei man nie weg gewesen.... and it will be my last.

Schlimm war nur, dass ich entscheiden musste wer mich nach Hause begleiten darf und diese Wahl habe ich mir weißgott nicht leicht gemacht, zwangsläufig war sie auch von Sonderangeboten geprägt, aber auch das hat sie hat mir verziehen und mich reich belohnt, wir haben auch ohne Worte gewusst, dass wir uns wieder regelmäßiger sehen werden, dass wir einander so schnell nicht mehr loslassen. Jetzt sitze ich hier, höre "Von hier an Blind" und bin von den Haar- bis zu den Fußspitzen erfüllt mit Musik und Gefühlen die vielfältiger nicht sein könnten - und allem voran steht die Fassungslosigkeit, dass ich es tatsächlich so lange ausgehalten habe zu boykottieren, was mir im Leben mit am Wichtigsten ist, mindestens so wichtig wie Luft, Wasser, Blut, Schokolade, harte grüne Äpfel, Schwarzbrotschnitten mit geräuchertem Schinken, Pfeffer ....

Für alle die ebenso wie ich ein paar Anregungen vertragen könnten hier ein paar must haves - geprüfte so wie auf die Wunschliste aufgenommene:





... daran nicht mehr Studentin zu sein, hat den Vorteil, dass Wochenenden plötzlich in vollem Umfang ihren Wert wieder erlangen!

 

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